Die Urgeschichte - Chaos

„Jetzt hör mir zu, du dummes, kleines Gör!“, fauchte das Wesen in Cats Kopf. Sie schloss die Augen und fand sich plötzlich in einem kleinen, dunklen Raum wieder. Dies war der Teil ihres Geistes, in den sie ihre lästige neue Begleiterin eingesperrt hatte.

Ein großer Käfig befand sich mitten im Raum. Darin stand ein Wesen, das eine Mischung aus Frau und geflügelter Katze zu sein schien. Es hatte gefiederte, rote Flügel, einen Katzenschwanz, Schnurrhaare und Katzenohren. Ihre Haut war weiß, geziert von schmalen, roten Streifen, die an die Streifen eines Tigers erinnerten. Das kurze, rote Haar stand wild, in jede erdenkliche Richtung, ab.

„Dieser Kampf wird weitergehen, ob du willst oder nicht! Und ich werde ihn nicht verlieren, nur weil ein dummes Kind in ihrem Selbstmitleid versinkt.“, knurrte das Wesen böse.
„Ich habe einen der wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren! Das ist kein Selbstmitleid!“, schrie Cat das Wesen an. „Ich höre von dir immer nur, dass ich kämpfen muss aber ich will das nicht! Das ist nicht mein Kampf, also werde ich ihn auch nicht kämpfen. Such dir einen anderen Menschen, den du damit nerven kannst.“
„Du verstehst überhaupt nichts, Gör.“, das Wesen im Käfig grinste plötzlich und packte mit seinen Händen die Gitterstäbe vor sich. Flammenzungen leckten über ihre Hände, ohne sie zu verbrennen. Das Eisen begann zu glühen und schmolz unter der Hitze des Feuers, das dieses Wesen verursachte.

Cat stolperte rückwärts, als das Wesen aus dem Käfig stieg, dessen Front nur noch ein geschmolzener Haufen Eisen war.

„Ich werde dir jetzt zeigen, wie wichtig dieser Kampf ist und vor allem wie alt er schon ist! Du wirst dich ihm nicht entziehen können!“, flüsterte das Wesen, das jetzt direkt vor Cat stand. Es breitete Arme und Flügel gleichzeitig aus und umschlang Cat damit. Das junge Mädchen fühlte sich, als würde sie in Flammen stehen. Eine unerträgliche Hitze ergriff sie, bis alles um sie herum schwarz wurde.

Das Wesen verschwand und für einen kurzen Moment, schwebte sie im Nichts. Dann drang plötzlich entfernter Kampfeslärm an ihre Ohren, die auf einmal sehr viel sensibler geworden waren.

Vorsichtig öffnete sie die Augen. Der Anblick, der sie erwartete, jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Sie stand auf einem Hügel, unter ihr ein See, in dessen Mitte sich ein Schloss befand. Feuer regnete vom Himmel herab und bombardierte das Schloss, aus dessen Zinnen rote Flammenzungen schossen. Auf der Brücke, vor dem Schlosstor, kämpften rotgewandte Gestalten gegen Blaugewandete. Ein leichter Wind brachte die Schreie der Verletzten zu ihr herüber.

Cat wollte sich abwenden, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht.

„Herrin.“, eine rotgewandte Gestalt kniete neben ihr nieder. „Sie ist hier, wird haben sie im Schlosshof ausfindig machen können.“

Wilde Kampfeslust durchflutete Cats Körper. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und dann verstand Cat plötzlich, weshalb ihr Körper ihr nicht gehorchte. Es war gar nicht ihr Körper! Die Spitzen von großen, roten Flügeln tauchten in ihren Augenwinkeln auf. Sie steckte in dem Körper des Wesens!

Mit einem Kampfschrei, stieß sie sich vom Boden ab und erhob sich in die Lüfte. Jetzt, wo sie wusste, dass ihre Schwester hier war, konnte sie endlich in den Kampf eingreifen, denn ihre Schwester, war die einzige Gegnerin für sie.

Die Gerüche von Asche, Feuer und Blut vermischten sich in der Luft über dem Schloss und machten das Atmen schwer. Cat spürte, wie die Kampfeslust durch den Körper des Wesens jagte, als sie etwas Blaues am Rande des Schlosshofes entdeckte. Es bleckte die Zähne zu einem bösartigen Grinsen. Sie war es wirklich! Feuer leckte über den Körper des Wesens und es stürzte sich wie ein Feuerball auf den Schlosshof hinab. Die Wucht des Aufpralls, fegte über den zerstörten Hof. Cat bemerkte, dass noch ein Wesen auf dem Hof war. Es war von der Wucht zu Boden gerissen worden und richtete sich gerade wieder auf. Das Wesen, in dessen Körper Cat nach wie vor steckte, faltete seine Flügel zusammen und fixierte das andere Wesen.

„So begegnen wir uns also doch noch.“, sagte es und strich sich durch das kurze, rote Haar. Die beiden Wesen sahen sich sehr ähnlich. Die einzigen Unterschiede lagen in der Frisur und der Farbe des Haars, des Katzenschwanzes, der Flügel und der Streifen auf der weißen Haut.

„Es endet hier und heute, Chaos. Von nun an, läuft keine von uns mehr davon.“, erklärte das blaue Wesen.

„Ich bin nie davon gelaufen, Ordnung. Ich wollte kämpfen. Du bist die einzige Gegnerin für mich, also? Darf ich bitten, werte Schwester?“, ein bösartiges Grinsen stahl sich auf das Gesicht des roten Wesens.

Cat verstand es jetzt.

Das rote Wesen war die Verkörperung des Chaos, während das blaue Wesen, die Schwester von Chaos, Ordnung verkörperte. Sie waren Gegensätze, die einander bekämpften, um das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Dieser Kampf tobte schon seit sehr langer Zeit und nun, hatte Chaos Cat auserwählt, diesen Kampf fortzusetzen. Sie hatte wirklich keine andere Wahl, als zu kämpfen.